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Umsiedlung der Deutschbalten aus Lettland

Umsiedlung der Deutschbalten aus Lettland

Edwin Jakimowitsch wird im September 1940 als Sohn einer Deutschen und eines lettischen Offiziers in Mitau in Lettland geboren. Sein Schicksal zeigt hier stellvertretend die Auswirkungen der Umsiedlung der Deutschbalten zu Beginn des Zweiten Weltkrieges und der Flucht am Ende Zweiten Weltkrieges.

Jakimowitsch Vorfahren mütterlicherseits sind Protestanten und leben seit Generationen in Lettland. Sie sind Handwerker, Beamte, Ärzte, Müller, Buchhändler oder Journalisten.

Jakimowitsch Mutter Karin verliebt sich in einen Offizier der lettischen Armee. Zu jener Zeit ist es nicht üblich, dass Deutsche und Letten heiraten. Jakimowitsch Großeltern tolerieren jedoch die Ehe ihrer Tochter mit Alexander Jakimovics.

Alexander Jakimovics war “Lettlands bester Schwimmer”, wie die Fiziska Kultura un Sports 1938 titelte und 1936 nahm er an den Olympischen Spielen in Berlin teil.Fiziska Kultura un Sports; 1938

Die junge Liebe dieser zwei Menschen sollte schon bald vor große Heraus-forderungen gestellt werden und die junge Frau vor eine folgenschwere Entscheidung stellen.

1939 kommt es zur Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes, der das Schicksal der Familie Jakimovics mitbestimmt. Die so genannte „Umsiedlung der Deutschbalten“ aus Estland und Lettland erfolgt sechs Wochen nach Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes. In seiner Rede im Deutschen Reichstag am 6. Oktober 1939 gibt Adolf Hitler die Umsiedlung bekannt. Bereits am folgenden Tag wird sie in der Rigaschen Rundschau angekündigt und bildete den Auftakt der nationalsozialistischen Umsiedlungsaktionen zu Beginn und während des Zweiten Weltkrieges.

http://www.libau-kurland-baltikum.de/Baltendeutsche-Deutschbalten/baltendeutsche-deutschbalten.html

Während die Familie von Edwins Mutter in das Wartheland umgesiedelt wird, entscheidet sie sich, an der Seite ihres Mannes in Lettland zu bleiben.

Edwins Mutter wird Anfang 1940 mit ihm schwanger. Es scheint zunächst so, als solle Edwin in eine Familie einer deutschen Mutter und eines lettischen Vaters hineingeboren werden und aufwachsen. Doch es soll alles ganz anders kommen.

In der Folge des Hitler-Stalin-Paktes wird Lettland am 17. Juni 1940 von sowjetischen Streitkräften besetzt und im August dieses Jahres als Sozialistische Sowjetrepublik Lettlands (LSSR) in die Sowjetunion eingegliedert. Viele Bewohner Lettlands freuen sich zunächst über den Einmarsch Moskaus Roter Armee. Die Freude ist jedoch nur von kurzer Dauer. Wenig später beginnt die Sowjetisierung.

Edwins Vater, der Offizier bei der Armee Lettlands ist, wird verhaftet und im Frühjahr 1941 zu acht Jahren Zwangsarbeit verurteilt. Er kommt in den Gulag und wird in ein Straf- und Arbeitslager am Eismeer deportiert.

Im September 1940 kommt Edwin in Mitau in Lettland zur Welt. Nach der Verhaftung ihres Mannes ist Edwins Mutter auf sich allein gestellt. Nachdem sie Gewissheit hat, dass ihr Mann nicht so schnell zurückkehren wird, entscheidet sie sich, Lettland zu verlassen und zu ihrer Familie zu gehen. Gemeinsam mit ihrem kleinen Sohn erreicht sie zunächst Heilbronn, um wenig später dann in das Wartheland zu ihren Verwandten nach Kalisch zu ziehen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Wartheland#/media/Datei:Reichsgau_Wartheland_(Karte).png

Doch auch hier findet die 25-jährige Mutter keinen dauerhaften Platz für sich und ihren Sohn. Der Verlauf des Krieges zwingt sie 1945 zur Flucht. Mit ihrem 4-jährigen Sohn flüchtet sie aus Kalisch vor der herannahenden Roten Armee bis nach Triangel in die Nähe von Gifhorn.

Edwin, der in seinem bis dahin kurzen Leben, Schreckliches hatte erleben müssen, bleibt vom Schicksal nicht verschont. Seine Mutter erkrankt im November 1945 an einer Blinddarmentzündung, wird in die Stadt des KdF Wagens (später Wolfsburg) verbracht und stirbt 25-jährig an einem Blinddarmdurchbruch. Edwin ist nun mit fünf Jahren Vollwaise.

Die Schwester seiner Mutter ist mit einem Arzt Dr. Riesenkampff verheiratet. Auch sie sind aus Lettland in den Reichsgau Wartheland umgesiedelt worden. Ihre Flucht endete 1945 in Essenrode. Edwin, der nach dem Tod seiner Mutter bei seiner Großmutter lebt, wird 1950 in die Familie Riesenkampff aufgenommen. Dr. med. Riesenkampff lässt sich als Hausarzt in Essenrode nieder, eröffnet eine Praxis im neu erbauten Eigenheim, in dem dann auch Edwin aufwächst.

Später heiratet Edwin Jakimowitsch und gründet in Essenrode eine eigene Familie. Dort lebt er mit seiner Ehefrau. Seine erwachsenen Kinder leben ebenfalls in Essenrode.

Lettland und seinen Geburtsort bereist Edwin Jakimowitsch später mehrmals. Die Gedanken an seine Eltern und die Bilder, wie sie fröhlich durch die Straßen Mitaus gehen, begleiten ihn dabei.